Dafür, dass ein seit Monaten geplantes Großprojekt anstand, war es ganz schön ruhig im Schulhaus des Privatgymnasium Schwetzingen. Doch der „Tag der Umwelt und Ernährung“ am 2. Februar wurde nicht etwa aufgrund des Corona-bedingten Homeschoolings abgesagt, sondern in eine aufwändige digitale Veranstaltung umgewandelt. „Es ist beeindruckend, was unsere Schülerinnen und Schüler hier auf die Beine gestellt haben“, so der Schulträger Uwe Rahn.
In den ersten vier Stunden standen für alle Klassen Vorträge und Workshops auf dem Programm. Die über 40 landes- und bundesweit bekannten Expertinnen und Experten aus verschiedensten Branchen – etwa Universitätsprofessoren, Wissenschaftler, Journalisten und Unternehmer – hatten vielfältige und kreative Möglichkeiten gefunden, auch digital einen praktischen Bezug herzustellen. So verlegte beispielsweise der Landtagsabgeordnete Daniel Born, der als Referent zu den Themen Nachhaltigkeit und fair gehandelte Produkte eingeladen war, das gemeinsame Zubereiten eines gesunden Frühstücks in eine Videokonferenz in seiner eigenen Küche.
Ein Schwerpunkt der Vorträge lag auf dem Thema Plastikmüll. Die Meeresbiologin Mareike Huhn berichtete von ihrem Müllbeseitigungsprojekt in Indonesien, Dr. Mark Lenz vom Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung referierte über Entstehung und Folgen von Mikroplastik im Meer. Ganz konkret zeigte sich dieses Problem auch im Vortag des Biologen Jonas Custers, der interessante Einblicke in seine Forschung mit Delfinen in Kroatien gab und erklärte, wie deren Population durch den Plastikmüll im Meer beeinträchtigt wird. Wie man gänzlich ohne Abfall zu produzieren leben kann, erläuterte Dr. Lena Boneva, die selbst seit vielen Jahren einen Zero-Waste-Lebensstil führt.
Dass Nachhaltigkeit aber auch bei uns in Deutschland von immenser Bedeutung ist, hob beispielsweise Dr. Michael Stöhr, Senior Consultant bei einer nachhaltigen Unternehmensberatung, hervor, der einen Vorträge über erneuerbare Energien hielt. Christopher Schierk vom Kreisforstamt Rhein-Neckar unterstrich zudem die Bedeutung lokaler Wälder für den Klimaschutz.
Nachhaltigkeit, so erklärten mehrere Referentinnen und Referenten, sei auch eine Frage der Gerechtigkeit. Theresa Voss stellte in einem theoretisch-philosophischen Vortrag das Konzept Klimagerechtigkeit vor und der Autor Matthias Medert ging der Frage nach, ob es weltweit genug Lebensmittel für alle gibt und warum diese nicht immer dort ankommen, wo sie am dringendsten benötigt werden. Eine mögliche Lösung zeigte Aida Jukas aus dem Nachhaltigkeitsmanagement der GLS Bank auf, indem sie Möglichkeiten des nachhaltigen Investments erklärte.
Die unterschiedlichen Branchen und Arbeitsfelder der Referentinnen und Referenten zeigten vor allem, wie vielseitig und facettenreich das Thema Nachhaltigkeit ist. Der Journalist Florian Müller verdeutlichte am Beispiel des Diesel-Skandals die Bedeutung von investigativem Journalismus, Marc Kückmann, Abteilungsleiter in der Schienenverkehrsplanung, ging auf nachhaltige Möglichkeiten in den Bereichen Mobilität und Großbauprojekte ein und Dr. Lukas Annesser vom Max Planck Institute for Brain Research sprach über Tierwohl und Tierversuche in der Forschung.
Trotz der vermeintlichen Distanz der Online-Veranstaltung wurden in den Workshops verschiedenste interaktive Arbeitsphasen eingefügt und auch bei den Vorträgen den Fragen und Diskussionsbeiträgen der Schülerinnen und Schüler viel Raum gegeben.
In den letzten beiden Stunden stand das aktive Umsetzen des Gelernten im Mittelpunkt. Die Projektangebote unterschieden sich dabei je nach Altersstufe von Upcycle-Kunst-Projekten aus Plastikmüll in Klasse 5 bis hin zu selbst erstellten TED-Talks in der Kursstufe. Das Hauptziel des Nachmittags war der Spaß an der gemeinsamen Umsetzung und die Vertiefung der individuellen Interessen.
Geplant, organisiert und durchgeführt wurde der Projekttag zum größten Teil von der betreuenden Lehrkraft Angelika Rüger sowie den Schülerinnen und Schülern selbst. Die SMV setzt seit Jahren Umweltthemen wie eine nachhaltige Mensa auf ihre Wunsch- und Projektliste. Nach der Gründung eines eigenen Umweltteams konnten dann auch ein schuleigener Umwelt-Shop und verschiedene waldpädagogische Aktionen in Angriff genommen werden. „Wir wollen die Schülerinnen und Schüler für Themen im Bereich Klimawandel und Umweltschutz sensibilisieren und begeistern, indem wir zukunftsrelevante Themen anschaulich und interessant vermitteln“, erklärte der Schülersprecher Lennart Laqua.
Im Umweltteam hatten sich die Schülerinnen und Schüler lange und intensiv um Experten bemüht, um die Vielfalt des Themas Nachhaltigkeit abzubilden. Besonders wichtig war ihnen dabei, eine möglichst große Bandbreite an Branchen, Lebensstilen und Arbeitsfeldern abzudecken. „Diese vielfältigen Einblicke in unterschiedliche Berufsfelder sollen unseren Schülerinnen und Schülern auch bei der beruflichen Orientierung helfen. Das Thema Nachhaltigkeit ist omnipräsent und zukunftsweisend“, so Angelika Rüger.
Das Interesse für Nachhaltigkeits-Themen ist kein Zufall. Eine zentrale Säule des Schulkonzepts des Privatgymnasium Schwetzingen ist ein Sozialcurriculum, in dem in allen Klassenstufen Unterrichtszeit für die Förderung von sozialer Verantwortung fest verankert ist. So werden die Schülerinnen und Schüler beispielsweise im Unterrichtsfach Glück bereits in Klasse 5 über kindgerechte Spiele für die Auswirkungen ihres Kaufverhaltens auf globale Zusammenhänge sensibilisiert.
Auch die Moderation der Vorträge übernahmen Schülerinnen und Schüler. Gemeinsam mit einigen betreuenden Lehrkräften waren sie als einzige vor Ort im Schulhaus. Alles andere lief, wie schon der ganze Unterricht seit Mitte Dezember, digital ab. „Da wir schon frühzeitig ein umfassendes Digitalisierungskonzept entwickelt haben, sind nicht nur digitaler Live-Unterricht, sondern auch Großprojekte wie der Umwelttag umsetzbar”, so der pädagogische Schulleiter Jörg Bader, der den Tag vor Ort begleitete und die Mitwirkenden unterstützte.
Auch die Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler am Ende des Tages fielen positiv aus. „Der Umwelttag war ein wirklich schöner Ausgleich zum Homeoffice. Am besten gefallen hat mir, dass uns nicht nur Fakten erzählt wurden, sondern auch neue Sichtweisen auf alltägliche Situationen vorgestellt wurden, wodurch wir gelernt haben, in der Zukunft wahrscheinlich umweltfreundlichere Endscheidungen zu treffen”, so Anna Meena aus der achten Klasse.
Um 16 Uhr endete der Projekttag am Privatgymnasium Schwetzingen, nicht aber die dahinterstehende Idee. Der „Tag der Umwelt und Ernährung“ hatte nicht nur das Ziel, Anregungen zu geben, wie Nachhaltigkeit im Alltag gelebt werden kann, sondern auch den Grundstein für langfristig geplante Kooperationen zu legen. Mit dem Kreisforstamt sind z.B. regelmäßige waldpädagogische Maßnahmen geplant und aus den Blogbeiträgen der Neuntklässler soll eine Kooperationshomepage mit der kroatischen Delfinforschungsstation Vivamar entstehen.